Implikationen und Handlungsempfehlungen auf der Basis qualitativ gesammelter Online-Lernerfahrungen von Studierenden im Bereich der Innovativen Lehre im digitalen Sommersemester 2020

  • Andreas Jewgrafow, M.Sc., Lehrbeauftragter für Design Thinking
  • Christina Wolf, B.Sc., Tutorin für Design Thinking
  • Dr. Isabell Osann, Vertretungsprofessur Management und Organisation, Innovative Lehre

Hochschule Biberach, Juli 2020

Das Kooperieren von Studierenden und Lehrenden beim Reflektieren, gemeinsamen Nachdenken und Erobern neuer Wissenshorizonte - kann sich das nur im realen Unterrichtsgeschehen zu Lernerfolgen entwickeln oder geht das auch online? Wie können die zukunftsrelevanten Fähigkeiten für die Lösung komplexer Probleme in Teams in der digitalen Lehre gestärkt werden? Wie müssen solche Online-Kurse, auf beiden Seiten des Bildschirms, vor- und nachbereitet werden, um den gewünschten Lernerfolg zu garantieren? Besonders in einem Studienfach, welches buchstäblich von Präsenz und Kreativität der Teilnehmer lebt?

Der nachfolgende Bericht schildert die hierzu gesammelten Erfahrungen aus drei webbasierten Design-Thinking-Kursen an der Hochschule Biberach. Studierende äußern sich zu ihrem persönlichen Lernerfolg. Mit Hilfe der gesammelten Erfahrungsberichte der Studierenden, in sogenannten „Online-Lernerfahrungskurven“, konnten wertvolle Schlüsse für die digitale Arbeit mit innovativen Methoden und kollaborativen Lernprozessen gezogen werden. Es werden konkrete Vorschläge zur Vorbereitung und Durchführung solcher Kurse für Lehrende dargelegt.

Durch die agile und kreative Form der Zusammenarbeit in den Design Thinking-Veranstaltungen eignen sich die Kursteilnehmer im Laufe des Prozesses verschiedene zukunftsrelevante Fähigkeiten, u. a. in den Bereichen Kreativität, Unternehmerisches Handeln, Eigeninitiative, Anpassungsfähigkeit und Durchhaltevermögen, an. Aufgrund der COVID-19-Pandemie fanden die Kurse nicht als Präsenzveranstaltungen im Design-Thinking-Labor statt, sondern wurden kurzerhand durch Videokonferenzen mithilfe der Kollaborationssoftware Microsoft Teams (MS-Teams) ersetzt. Sämtliche Vorlesungen, die Coachings zur Klärung von Fragen und die Zusammenarbeit in den einzelnen Teams liefen somit ausschließlich über diese Plattform. Anstelle einer Visualisierung der gesammelten Ideen an physischen Whiteboards trat „MURAL“ - ein zusätzliches Online-Kollaborationstool für die virtuelle Teamarbeit und Ergebnisdokumentation.

Um Implikationen und Hilfestellungen für kollaborative digitale Veranstaltungen abzuleiten, wurden bereits während der Online-Workshops Feedbackrunden mit den Studierenden durchgeführt. Des Weiteren haben die insgesamt 65 Kursteilnehmer ihre Erfahrungen mit den digitalen Kursen in Lerntagebüchern dokumentiert, welche für interne Erfahrungsberichte und im Rahmen einer Bachelorarbeit ausgewertet wurden.

Ergebnisse aus Lerntagebüchern und Feedbackrunden:

Die persönlichen Stimmungskurven während des Voranschreitens im Online-Kurs haben sich bei allen Studierenden ähnlich entwickelt. Noch zu Beginn lagen Vorfreude und Frust oft nah beieinander. Einerseits waren die Studierenden neugierig auf die neue Methode. Andererseits stellten die Design Challenge, der digitalen Schnellstart, der fehlende persönliche Kontakt sowie ein webbasiertes Lernformat sie vor komplexe Herausforderungen. Hinsichtlich der eigenständigen Vorbereitung des Online-Workshops zeigen sich die Studierenden selbstkritisch: In einer nachfolgenden Veranstaltung würden sie sich früher mit den bereitgestellten Unterlagen auseinandersetzen, um sich schneller zurechtzufinden. Insgesamt äußerten die Studierenden eine hohe Zufriedenheit mit den nach Projektphasen strukturierten und über die Kommunikationsplattform bereitgestellten Unterlagen und Templates. Gut funktioniert habe auch die Arbeit in Kleingruppen während der Online-Workshops über den Wechsel zwischen verschiedenen Kanälen auf der Plattform (die Lehrenden wechseln für das Coaching zwischen den Kanälen hin und her). Die positiven Ausschläge auf den Stimmungskurven der Kursteilnehmer gehen überwiegend einher mit dem Sammeln externer Informationen durch Interviews mit Nutzern sowie mit der Erstellung der Prototypen.

Die Studierenden geben in Feedbackrunden an, neben der Design-Thinking-Methode auch virtuelle Teamarbeit, Zeitmanagement, Selbstorganisation, sich auf die Bedürfnisse anderer einlassen zu können sowie offen gegenüber Kritik und neuen Vorschlägen zu sein, gelernt zu haben. Auch konnte im Rahmen des Kurses ein besserer Umgang mit den Funktionen der Plattform MS-Teams und einer Software für Kollaboration, Mural, erlernt werden. Die Kombination aus Selbststudium und digitaler Teamarbeit wurde von einigen Studierenden als besonders wirksame Lernerfahrung im Online-Semester empfunden.

„Gruppenarbeit online mit einem klaren Lernziel ist sehr gut möglich.“

Empfehlungen für zukünftige kollaborative Online-Workshops auf Basis der bisher gesammelten Erfahrungen :

  • Studierende benötigen zur Bearbeitung von Teamaufgaben in Vergleich zu Präsenzveranstaltungen mehr Zeit. Gerade die kollaborativen Ideenfindungs- und Problemlösungsprozesse an den digitalen Whiteboards benötigen im virtuellen Raum einige Minuten Vorbereitungszeit für die technische Unterstützung und die nicht ganz so spontanen Teamfindungsprozesse (Moderation, Dokumentation, Zeitmanagement, wer spricht wann…).
  • Präzise Angaben und Anschaulichkeit sind für die Studierenden in den Online-Workshops von besonderer Bedeutung. Dozierende können mithilfe einer Chatfunktion die wichtigsten Aussagen, z. B. das Ziel einer Phase und die Reihenfolge der anzuwendenden Methoden, festhalten. Zudem können kurze Erklärvideos über die einzelnen Techniken und Methoden im Design Thinking zu einem verbesserten Verständnis beitragen.
  • Online-Workshops ermüden die Teilnehmer schneller als Präsenzformate. Planen Sie ausreichend Pausen ein. Ebenso hilfreich um aktiv am Thema zu bleiben ist der Wechsel zwischen Input, Arbeit in Kleingruppen, Reflexionszeit und moderierter/strukturierter Diskussion in der großen Gruppe.
  • Anders als in Präsenzveranstaltungen ist die Ablenkung in virtuellen Treffen viel höher. Es ist deshalb für den Lernprozess von Vorteil, die Termine in der großen Gruppe durch kleinere Workshops und selbst moderierte Teamtreffen zu ergänzen. Sie unterstützen die soziale Einbindung, ermöglichen Austausch und bieten Möglichkeiten zum direkten Feedback. Regelmäßige Angebote von Online-Coachings durch Dozierende (z. B. ein Coaching je Phase) unterstützen die Reflexion der Methoden durch die Studierenden.
  • Für die Reflektion der angewandten Methoden und als Zwischenfeedback eignen sich die nachfolgenden Fragestellungen der Methode „Teaching Poll Analyse (TAP, vgl. Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidaktik 2019):
  • Wodurch lernen Sie in dieser Veranstaltung am meisten?
    • Was erschwert Ihr Lernen?
    • Welche Verbesserungsvorschläge haben Sie für hinderliche Punkte?
  • „I like, I wish, I learned“ stellt eine weitere Kategorisierungsmöglichkeit für die Reflektion der Online-Workshops mit den Studierenden dar. Als unterstützendes Medium hat sich beispielsweise die Kollaborationssoftware „MURAL“ bewährt. Grundsätzlich können jedoch auch Alternativen wie Google Jamboard, Mentimeter, ein virtuelles Whiteboard o. ä. verwendet werden.

Die analysierten Online-Workshops zeigen, dass Studierende zukunftsrelevante Fähigkeiten wie beispielsweise Problemlösungsfähigkeit auch digital erwerben können Der erfolgreiche Lernprozess lebt durch den Austausch der Studierenden mit dem Lehrenden. Technische Hilfsmittel sollten in Anspruch genommen werden, um die Lücke zwischen Präsenz- und Onlinevorlesungen sinnvoll zu füllen. Somit erwerben nicht nur Studierende, sondern auch Lehrende die sog. „Future Skills“.

[1] Siehe zu Future Skills die gemeinsame Studie vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft e.V. und McKinsey&Company (2019), Diskussionspapier 1 und 2 sowie „P21 Framework“ der OECD, z.B. Trilling/Fadel (2009).